Freitag, 1. Juni 2012

 



Die Weilmünsterer Arten 
der Gattung ANCISTROCERUS
HYMENOPTERA: Vespidae: Eumeninae






Systematische Zuordnung der Gattung Ancistrocerus


Die insgesamt 82 in Deutschland beheimateten Faltenwespen-Arten (HYMENOPRTERA: Vespidae) werden systematisch 4 Unterfamilien zugeordnet, und zwar den 
  • Honigwespen MASARINAE
  • Solitären Faltenwespen EUMENINAE
  • Feldwespen POLISTINAE
  • Echten Wespen VESPINAE
Die hier näher betrachtete Gattung ANCISTROCERUS zählt dabei zur Unterfamilie der Solitären Faltenwespen, der EUMENINAE.

Folgt man den Angaben der "Roten Liste der Wespen Deutschlands" von 2010, so sind für das Gebiet der Bundesrepublik bisher insgesamt 13 Arten der Gattung Ancistrocerus dort registriert und beschrieben. Dabei handelt es sich um folgende Arten:

Ancistrocerus antilope (Panzer, 1798)
Ancistrocerus auctus (Fabricius, 1793)
Ancistrocerus claripennis Thomson, 1874
Ancistrocerus dusmetiolus (Strand, 1914)
Ancistrocerus gazella (Panzer, 1798)
Ancistrocerus ichneumonideus (Ratzeburg, 1844)
Ancistrocerus nigricornis (Curtis, 1826)
Ancistrocerus oviventris (Wesmael, 1836)
Ancistrocerus parietinus (Linnaeus, 1761)
Ancistrocerus parietum (Linnaeus, 1758)
Ancistrocerus renimacula (Lepeletier, 1841)
Ancistrocerus scoticus (Curtis, 1826)
Ancistrocerus trifasciatus (Müller, 1776)


Nach: Schmid-Egger, C. (2010): Rote Liste der Wespen Deutschlands. Hymenoptera Aculeata. Ampulex 1: 5-40. Berlin.


Die Gattung Ancistrocerus ist entstanden aus der Aufspaltung der früheren Gattung Odynerus in 7 Einzelgattungen. Die Arten der Gattung Ancistrocerus unterscheiden sich von anderen Eumeninae durch folgende Merkmalskombinationen:

  • Der Thorax ist rundlich, nicht länger als breit.
  • Das Abdomen ist nicht "gestielt" mit dem Thorax verbunden.
  • Das 2te Abdominalsegment ist nur wenig aber nicht deutlich breiter als das erste.
  • Das von der Flügeladerung gebildete Kompartiment 1Rs ist nicht gestielt, die Flügelader 2m-cu mündet vor dem Ende von 1Rs.

Charakteristische Artbestimmungsmerkmale für Ancistrocerus sind unter Anderem:

  • Die Färbung der Beine bzw. der Schenkel (schwarz / schwarz-gelb / schwarz-rot)
  • Die Gelb-Färbungs-Makel des Thorax (insbes. auf Propodeum, Tegula, Pronotum) 
  • Die Färbung der Unterseite der Antennengeißel bzw. des Antennenschaftes
  • Die Breite und die Form der Aussparung der gelben Binde auf dem 1. Abdominaltergit
  • Die Körpergröße
  • Die Abdominaltergitbehaarung
  • Die seitlich sichtbare Wölbung oder Einbuchtung des 2ten Abdominalsternits
  • Die proportionale Längen-Ausdehnung des 2ten Abdominaltergits
  • Die Einbuchtung bzw. Ausschnittform des Kopfschildes (Clypeus) bei Männchen





Nachweis von Ancistrocerus in Weilmünster

Seit dem Beginn der systematischen Bestandsaufnahme der Weilmünsterer Toninsektenarten im Juli 2008 sind Nester von Wespen der Gattung Ancistrocerus bisher an 3 Fundorten beobachtet und fotografisch registriert worden:

Fundort 1: Historische Scheune aus Natursteinmauer und Lehmwand
Fundort 2: Historische Scheune aus Rotziegelsteinen
Fundort 3: Wohnhaus mit Naturgarten (Einzelregistrierung ohne Nestbeobachtung)
Fundort 4: Fachwerkhaus mit Lehmwand (nur verlassene Nester)


Seit Juni 2012 sind im Rahmen der fotografischen Bestandsaufnahmen an Nahrungspflanzen und potentiellen Nestbauplätzen weitere Registrierungen erfolgt. Nachgewiesen sind bisher folgende Arten:

  • Ancistrocerus dusmetiolus
  • Ancistrocerus gazella
  • Ancistrocerus nigricornis

Unbestimmt aufgrund nicht vollständiger Abbildung der bestimmungsrelevanten Körpermerkmale bleiben bisher vermutlich 2 weitere Arten.




Ancistrocerus dusmetiolus


Erstmals beobachtet wurde die Wespe im Frühjahr 2011 in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer großen Kolonie von Osmia cornuta an Fundort 1. Seit 4. Mai 2012 gelingt die regelmäßige Weiterbeobachtung und Fotodokumentation von Wespen und Nestern am selben Standort. Die Wespe nistet hier mit zahlreichen Exemplaren auf einer für ihren Nestbau idealen Grundlage, so daß der Eindruck einer großen Ancistrocerus-Kolonie entsteht. Die Tiere leben allerdings solitär und bilden nur an sonnig-heißen Tagen beim Anflug auf ihre Nester kleine Schwärme vor der Mauer mit den Nestanlagen.

Später Im Mai 2012 konnten einige weitere Ancistrocerus-Nester auch an einem zweiten, mehrere hundert Meter entfernt liegenden Gebäude nachgewiesen werden, doch erreicht die Individuenzahl dort bei weitem nicht das beeindruckende Ausmaß der Kolonie an Fundort 1.


Typischer Ancistrocerus-Nesteingang in Mörtelkammer an Fundort 1
Der Nesteingang ist mit frischem Lehm vermauert, Größe der Eingangsöffnung < 2 mm.


Ancistrocerus-Nesteingang an Fundort 2
Größe der Eingangsöffnung < 2 mm.


Das Gebäude an Fundort 1 ist aus Naturschutzsicht als besonders wichtig für den Bestand sowohl der Ancistrocerus- als auch der Osmia-Kolonie zu betrachten. Von diesen Nistplätzen aus erfolgt vermutlich auch die Besiedlung weiterer, weniger idealer Nistplätze im Ortsbereich. Das Gebäude ist wegen angeblicher Planungen eines Durchgangsstrassenbaues extrem gefährdet und dringend unter Schutz zu stellen, so daß eventuelle Bauplanungen seinen Bestand nicht gefährden. Dem Gebäude kommt somit aus Naturschutzsicht eine Funktion zu, die seine unveränderte Bewahrung in der jetzigen Form notwendig macht und jegliche Verbauung in seiner unmittelbaren Umgebung ausschließt.

Die Ancistrocerus-Nistplatzgemeinschaft an Fundort 1 setzt sich vermutlich aus mindestens 2 Arten dieser Gattung zusammen, wobei die fotografisch registrierten Bestimmungsmerkmale der Mehrzahl der beobachteten und abgebildeten Tiere die Schlußfolgerung zulassen, daß es sich um Eumeniden der Art Ancistrocerus dusmetiolus (STRAND 1914) handelt deren abweichend gefärbt und gezeichnete Exemplare bisweilen mit A. nigricornis verwechselt werden.

Trotz der weitgehenden Übereinstimmung der registrierten Bestimmungscharakteristika der Wespen mit den Merkmalen von A. dusmetiolus  ist aber auffällig, das bei einem Teil der Population das Merkmal "Form der schwarzen Aussparung in der ersten gelben Abdominaltergitbinde" in einer bisher nicht beschriebenen oder fotografisch dokumentierten Weise vom als "herzförmig - viereckig" charakterisierten Muster abweicht, so daß davon ausgegangen werden kann, daß es sich für eine für die Population des Fundortes charakteristische Variation handelt, die möglicherweise die Zuordnung eines Teiles der Tiere zu einer bisher nicht beschriebenen Ancistrocerus-Art erlauben würde. Für diese mögliche neue Art wird hier den neue  wissenschaftlicher Artname Ancistrocerus weierminsi new species vorgeschlagen, was der Übersetzung des Ortsnamens des ersten Fundortes ins chinesische entspricht.

Der Rote Liste Status von Ancistrocerus dusmetiolus für Deutschland ist mit dem Gefährdungsgrad 1 - VOM AUSSTERBEN BEDROHT angegeben. Da für Weilmünster nur 2 Fundpunkte mit bewohnten Nestbauten existieren, an denen diese Art bisher nachgewiesen ist, ist die biosystematische Überprüfung der Artidentität hiermit ausgeschlossen, da durch das Abfangen von Belegexemplaren die sowieso vom Aussterben bedrohte Population beseitigt würde.





Beschreibung der Weilmünsterer Ancistrocerus-Arten am Nistplatzstandort:

IN BEARBEITUNG !

KOPF

  • Weitgehend schwarz und leicht glänzend gefärbt
  • Zwischen den Antennen 1 runde gelbe Punkt-Makel  
  • Dicht hinter dem rückwärtigen Augenoberrand je 1 gelbe Strich-Makel
  • Clypeus entweder ganz oder an den Seitenrändern gelb gefärbt (Möglicherweise geschlechtsspezifisches Merkmal. Bei Tieren mit Clypeus-Seitenrand-Gelbfärbung gleichzeitig zarte Behaarung der Thoraxoberseite erkennbar)

FÜHLER

  • Antennen-Schaft-Unterseite gelb, -Oberseite schwarz gefärbt 
  • Fühler-Geißel matt-schwarz
  • Letztes Fühler-Geißel-Glied rost-rot-braun gefärbt



PHÄNOLOGIE 2012

  • Erste Beobachtung 2012: 30. April / 4. Mai
  • Beobachtung Beuteeintrag ins Nest: 22. Mai
  • Alle länger beobachteten Nesteingänge (mit 1 Ausnahme) verschlossen: 3. Juli




Fotografische Dokumentation der Weilmünsterer Ancistrocerus-Arten. 


Kopfansicht

Ancistrocerus sp. am Fundort 2 am 22-5-2012


Ancistrocerus sp. am Fundort 1 am 2-6-2012


Ancistrocerus sp. am Fundort 1 am 22-5-2012


 Ancistrocerus sp. am Fundort 1 am 22-5-2012


Ancistrocerus sp. am Fundort 1 am 20-5-2012




Lateralansicht (Habitus)


Ancistrocerus sp. an Fundort 1 am 22-5-2012
Beim Eintragen von Beute in ihr Nest



Ancistrocerus sp. an Fundort 1 am 22-5-2012




 Ancistrocerus sp. am Fundort 1 am 4-5-2012



Ancistrocerus sp. an Fundort 1 am 4-5-2012





Ancistrocerus sp. am Fundort 1 am 4-5-2012




 Ancistrocerus sp. am Fundort 1 am 4-5-2012




 Ancistrocerus sp. am Fundort 1 am 4-5-2012




 Ancistrocerus sp. am Fundort 1 am 4-5-2012


Beschreibung der Körpermerkmale

Kopf: 
Stirnseite weitgehend schwarz, mit gelbem Punktmakel zwischen den Antennen und 2 gelben Zeichnungselementen unterhalb der Antennen und oberhalb der Kiefer (Mandibel). Bei machen Exemplaren ist die gelbe Gesichtsfärbung oberhalb der Kiefer ausgedehnter (mögliche Artdifferenzierung). Erste, verlängerte Fühlerglieder zumindesten auf ihrer Vorderhälfte gelb gefärbt. Letztes Segment der Fühlerspitze rotbraun. Fühler ansonsten mattschwarz.

Thorax:
Thorax-Vorderkante zum Kopf hin schmal gelb gerandet. Rückwärtige Seite des gelben Streifens zur Mitte hin konkav verschmälert, bisweilen mittig schmal unterbrochen.

Abdomen:
Weniger stark glänzend schwarz als Kopfoberseite und Thorax, mit 5 (-6) unterschiedlich breiten gelben Farbringen am Ende jedes Abdominalsgementes. Zweites Segment nach den Seiten relativ verbreitert mit deutlich breiterem schwarzen Farbfeld. Der erste gelbe Farbring am Hinterrand des 1ten Abdominalsegment zeigt auf seiner Vorderseite eine deutliche, tiefe Einbuchtung bisweilen über die Hälfte der Ringbreite. Die Form der Einbuchtung variiert bei den beobachteten Tieren (vermutliche Artendifferenzierung) von rundlich U-förmig bis mehreckig-spitzkantig so daß der Eindruck der Einprägung eines Ahornblatt-Umrisses ähnlich dem auf der kanadischen Nationalfahne wiedergegebenen Symbol entsteht. (Den Tieren mir diesem letzbeschriebenen Merkmal wird der neue Artname Ancistrocerus weierminsi zugeordnet). Der bisweilen erkennbare 6te gelbe Farbring am vorletzten Abdominalsegment ist nur sehr schmal und von oben angedeutet sichtbar.
Beine:
Schienen (Tibia) und Füße (Tarsen) gelb gefärbt. Die vollständige bis teilweise Schwarzfärbung der Schenkel (Femur) variiert bei den beobachteten Tieren (mögliche Artendifferenzierung).

Die Körpergröße der Tiere beträgt ca. 5-7 Millimeter.

 
Filmdokumente:
Einzelbildbetrachtung der Bewegungsphasen durch Anhalten des Videos mittels Druck auf "Play"-Taste empfohlen.


Ancistrocerus sp. am Fundort 1 am 22-5-2012
Tier bei der Körperpflege und beim Abtransport von Gegenständen aus dem Nest



Ancistrocerus sp. am Fundort 1 am 22-5-2012
Tier beim Betreten und Verlassen seines Nestes



Ancistrocerus sp. am Fundort 1 am 22-5-2012
Tier vor seinem Nesteingang








Ancistrocerus gazella


Ancistrocerus gazella (PANZER, 1798)


Ancistrocerus gazella (PANZER, 1798)






Ancistrocerus nigricornis


Ancistrocerus nigricornis (CURTIS, 1826)




Ancistrocerus nigricornis (CURTIS, 1826)




Literatur:

 
Gusenleitner, J. (1995b): 
Bestimmungstabellen mittel- und südeuropäischer Eumeniden (Vespoidea, Hymenoptera) Teil 4: Die Gattung Ancistrocerus Wesmael 1836 mit einem Nachtrag zum Teil 1: Die Gattung Leptochilus Saussure. Linzer biol. Beitr. 27: 735-775. Linz.

Gusenleitner, J. (1999): 
Bestimmungstabellen mittel- und südeuropäischer Eumeniden (Vespoidea, Hymenoptera). Teil 10: Die Gattung Allodynerus Blüthgen 1938 mit Nachträgen zum Teil 1: Die Gattung Leptochilus Saussure und Teil 4: Die Gattung Ancistrocerus Wesmael. Linzer biol. Beitr. 31: 93-101. Linz.

Schmid-Egger, Christian (2003): 
Bestimmungsschlüssel für die deutschen Arten der solitären Faltenwespen (Hymenoptera: Eumeninae). Zweite überarbeitete und ergänzte Ausgabe. Deutscher Jugendbund Naturbeobachtung DJN, 2004: S. 54-102  Hamburg.





Mittwoch, 23. Mai 2012

Ein digitales Buch des CID-Verlages im Internet

ZANGER, Peter Ulrich:

DIE TONINSEKTEN VON WEILMUENSTER
CID-Schriftenreihe Naturwissenschaften

1. Auflage. - Weilmuenster : CID-Forschung.
Consultoría – Investigación – Documentación. Private wissenschaftliche Forschungseinrichtung.
April 2012
Copyright ©CID-Verlag, 35789 Weilmuenster, Nassauer Str. 23A
Gestaltung, Typographie und Satz:
CID-Verlag HRA 2720 Limburg
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